Pressestimmen

Von bösen Buben und braven Spießbürgern

Lehrerensemble tischt beim Familienkonzert einen gewitzten Leckerbissen auf

Von bösen Buben und braven Spießbürgern

Das Lausbubenstreich-Spektakel kündigt sich in schöner Regelmäßigkeit mit illustren, quietschfidelen, leicht burlesken Rhythmuskapriolen an. Dem kleinen Orchester aus Streichern, Bläsern samt Schlagzeuger sitzt merklich der Rhythmusschalk im Nacken. Denn in Gisbert Näthers mal pfiffigem und farbenfrohem, mal malerischem und klangschönem, 1996 uraufgeführtem musikalischem Streich steckt auch ein bisschen der lautmalerische Witz von Camille Saint-Saëns "Karneval der Tiere" und Sergei Prokofjews "Peter und der Wolf" drin. Und natürlich viel, viel Musik. Romantisches Zwischenspiel hin oder her, die heraufbeschworene, friedliche Idylle trügt. Kikeriki, tak, tak, tak geht es unter gewitzten, kecken und luftig-beschwingten Lautmalereien dem Federvieh von Witwe Bolte an die Gurgel. Bis auf den stolzen Hahn legt jedes von ihnen noch mal ein Ei, dann ist es vorbei mit dem schönen Hühnerleben. Schon ertönt eine schmerzgeladene, zu Tode betrübte, schwermütige Melodie.

Witwe Boltes Lebens schönster Traum, ging am Apfelbaum die Luft aus. Was für ein Jammer. Schwergewichtig und dramatisch hebt die Zwischenmusik zum zweiten Streich an. Brodelnde Spannung liegt in der Luft, haben doch Max und Moritz den Braten gerochen. Unter Galoppmotiven geht es hoch aufs Dach. Schwuppdiwupp, wandert ein Braten nach dem anderen an der Angel den Schornstein hinauf. Es rumpelt, scheppert, rumst und trötet. Derweil die geprellte Bolte ihrem armen Spitz eins überbrät, schlummern die vollgefressenen Bratendiebe auf einen verträumten, sanften Klangteppich gebettet ein.

Ritzeratze, Schneider, Schneider, meck, meck, meck, plumps da ist der Schneider weg - sein unfreiwilliger Bachgang samt wundersamer Rettung hoch hinaus in die Lüfte gestaltet sich als musikalisches Thema unheilschwanger, kraftvoll, rasant sowie unter fast schon schwerelos dahingleitenden Harmonien. Vor dem nächsten rabenschwarzen Clou ertönt eine hymnisch, salbungsvolle, schwelgerische Ouvertüre, steht Dorflehrer Lämpel doch für hohe bildungsbürgerliche Ideale, die er mit strenger Zucht und beflissenem Eifer seinen Zöglingen angedeihen lässt. Präludierender Choral, Kirchengeläut, Paukenschläge, Karacho und Getöse dürfen da natürlich nicht fehlen. Rums, Lämpels Meerschaumpfeife explodiert. Hernach liegt er reichlich verkohlt da, dunkel raunt es einem aus dem Orchester an. Beim krabbeligen und wuseligen Maikäfermassaker in Onkel Fritzens Schlafkammer flirren die Streicher, zirpen die Flöten, blasen die Blechbläser zur Jagd, ansonsten herrscht heimelige, balsamische Ruhe vor. Bis das Ende von Max und Moritz naht, gibt es noch eine Backofenmusik mit knitzem Pizzicato der Streicher, eine knatternde, knarzende Mühlenmusik, es wird mitunter auch spätromantisch und sinfonisch. Dann ist Ruhe im Kasten. Wilhelm Buschs grund- und bitterböse Satire auf den Biedermann im Ohrensessel ist am Ende angelangt. Die Welt ist wieder in Ordnung: sie ist schlecht, hart, roh, scheinheilig, gemein unversöhnlich und strafend. Die Musik zu dieser Botschaft, die das von Schülern und Gastmusikern wie Ulrich Feige unterstützte Lehrerensemble unter der Leitung von Martina Wratsch anreicht, ist es nicht. Die Musikschüler Lukas Merk und Fiona Schneider erzählen die Geschichte lebendig, mit spitzer Zunge und leiser, wissender Ironie.

 

Gäubote, 23.06.2018                             Rüdiger Schwarz

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