Pressestimmen

Berührungspunkte von Literatur und Musik

Mit Papierkronen als royalem Kopfschmuck spielte das Renaissance-Orchester der Musikschule in der Stiftskirche. GB-Foto: Holom

Das Renaissance-Orchester der Musikschule und die „Friends“ aus Calw nahmen die Zuhörer in der voll besetzten Stiftskirche mit auf eine Reise an den englischen Hof und zu William Shakespeare.

England erlebte im 16. Jahrhundert mit der Renaissance eine Blütezeit von Literatur und Musik. Hinter dieser Bewegung stand keine Geringere als die damalige Monarchin, Elizabeth I. Als Förderin und Gönnerin der Künste entstanden während ihrer Regentschaft zahlreiche Werke von Weltrang – schließlich lebte und wirkte in ihrer Regentschaft der wohl größte Dichter des Inselkönigreichs, William Shakespeare. Auch am Hof von Elizabeth I. war er ein gerngesehener Gast, der dabei sicherlich auch den ein oder anderen Blick der Damenwelt auf sich zog.

Wie solch eine Begegnung ablaufen könnte, beschrieben das Renaissance-Orchester und Friends unter der Leitung Astrid Andersson, Sabine Blasberg sowie Waltraud Epple-Holom in der voll besetzten Stiftskirche. Dabei wurden die Zuschauer durch die junge Hofdame Lilly Rose in das Elisabethanische Zeitalter entführt. Die junge Frau hegt dabei eine ernsthafte Schwärmerei für den großen Poeten. Fiktion und Wahrheit verschwimmen in der kurzweiligen Geschichte aus der Feder Astrid Anderssons, die die Begebenheiten um die verehrte Herrscherin am englischen Königshof geschickt mit den durch das Renaissanceorchester und die „Friends“ aus Calw aufgespielten musikalischen Darbietungen verwob. So erfährt der Zuschauer, dass Lilly Rose sich im Glück wähnt, am Hofe der Monarchin zu dienen, wollten doch alle Menschen in ihrer Nähe und von ihr umgeben sein.

Eine der Lieblingsgeschichten Shakespeares berichtet auch vom angeblich übernatürlichen Ursprung der Regentin, die aus ihrem Wunsch nach Frieden heraus zum Sternbild der Jungfrau und kurz darauf durch einen Helden vom Himmel geholt wurde. „Helas Madama“ war dann nicht nur ein Liebesbrief Shakespeares an Elizabeth überschrieben, sondern auch das zweite Stück des Abend, das aus der Feder keines Geringeren als des Vaters von Elizabeth stammt, Henry VIII. Fast schon melancholisch kam das Stück daher, nachdem die Spielleute, die im Chor der Stiftskirche Platz genommen hatten, mit einem wahrhaft königlichen Einzug und dem munteren Werk „Narren“ den Abend eröffnet hatten.

Was folgen sollte, war ein wahres Feuerwerk der Renaissance-Musik, das Liebhaber des Genres beglückt und neue Freunde gefunden haben dürfte. Eine Besonderheit stellten dabei die so wunderbar geschaffenen Berührungspunkte zwischen Literatur und Musik, Fiktion und Klang dar, die Astrid Andersson mit ihrer kleinen Rahmenhandlung geschaffen hatte. Ein Beispiel sei hier die humorvolle Beschreibung des liebsten Gärtners der Königin, dessen Wissen rund um Kräuter und Pflanzen seinesgleichen suchte.

Daran schloss sich die bekannte Weise „Scarborough Fair“ an, die im gesungenen Volkslied eben jene Kräuter aufzählt und besingt. Dabei spielte das Orchester eine raffinierte Unterstimme auf, die den bekannten Klassiker zu einem neuen Klangerlebnis werden ließ.

An Bekanntheit noch zu übertreffen ist „Scarborough Fair“ sicherlich durch „Greensleeves“, das seinen Auftakt durch ein wunderbar klares Flötensolo nahm. Gekonnt vermochte das Instrument den Kirchenraum zu durchdringen, ehe das ganze Orchester die bekannte Weise anstimmte.

In diesem Alternieren der Besetzung lag auch eine der großen Stärken des rundum gelungenen Konzertes. Mal war es das ganze Orchester, das mit seinem Klang die Melodien der Renaissance heraufbeschwören vermochte, mal war es nur eine kleine Besetzung, die wunderbar sanft aufspielte und doch so durchdringend daherkam, dass sie den ganzen Kirchenraum ausfüllte. So spielten Harfenisten, die zur Unterstützung aus Calw gekommen waren, eine sehnsuchtsvolle Melodie auf, während an anderer Stelle der Instrumentenklang durch zarte Gesangsstimmen ergänzt wurde. Dabei waren es vor allem die sonst im Orchester eher ruhigeren Flöten sowie die Schlagwerke, darunter das markante Tambourin, die die typischen Renaissance-Klänge kreierten.

Lilly Rose entführte das Publikum nicht nur in längst vergangene Zeiten, sondern entlockte den Zuhörern auch das ein oder andere Lächeln, insbesondere dann, wenn die „Calwer“ erwähnt wurden, die angeblich schon am Hofe der Königin aufspielten, sich jedoch weitaus weniger gesittet verhielten als die dort ebenfalls ansässigen Italiener.

Auch die Schwärmereien für einen der größten Literaten der Weltgeschichte, William Shakespeare, sorgten für ein Schmunzeln. Dabei kam auch das geschichtliche Hintergrundwissen für die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer in der Stiftskirche nicht zu kurz, etwa dann, wenn die Grenzen von Fiktion und Historizität zu verschwimmen begannen. So fand Sir Francis Drake, jener Pirat, der im Auftrag Elizabeths die Welt umsegelte, ebenso eine Bühne wie der Mythos von der Jungfräulichkeit der Regentin. Dieser findet seine Erklärung angeblich in den Pfeilen Amors aus dem „Sommernachtstraum“, der aus der Feder ebenjenen William Shakespeare stammt. Die Pfeile hatten sich im Monde verfangen und ließen die Ehe zu einem Traum für die Monarchin werden.

Gäubote, 19.11.2024
Christiane Hornung

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