Pressestimmen

Der Tanz findet nur in Tönen Platz

Herrenberg: Studio der Musikschule lädt bei Konzertabend zu einer Reisedurch musikalische Epochen mit Blockflöte und Theorbe als Star des Abends.

Es erinnert an den Tanz eines Kanarienvogels, meinten einst die spanischen Eroberer, als sie die Menschen des neu entdeckten Kontinents beim Tanz sahen. Giovanni Girolamo sowie Johann Kapsberger ließen sich Anfang des 17. Jahrhunderts gern inspirieren: „Canario“ heißt das Stück, mit dem Astrid Andersson, Blockflöte, und Ricarda Hornych, Theorbe, einen wunderschönen Konzertabend im Studio der Musikschule eröffnen.

Mit langem Hals, in dem ein zweiter Wirbelkasten steckt, ragt die Theorbe weit über die Musikerin hinaus. Der warme, ruhige Ton verdankt sich den tiefer gestimmten Bassseiten, welche die heiter bewegte Melodie erden. Eine Einladung zum Tanz, der man gerne folgen würde, immerhin lautet das Motto des Abends „Luftsprünge“. Jedoch, das Studio ist voll besetzt. Von Georg Philipp Telemann sind rund 3600 Werke überliefert, erzählt Astrid Andersson, die anregend mit Anekdoten und Wissenswertem durchs Programm führt. Wie ein Koch habe er seine Stücke aus Melodien und Verzierungen zubereitet, ein exquisites Mahl wird nun aus zwei Sätzen einer Methodischen Sonate angerichtet.

Die Blockflöte gilt als Königin unter den Anfängerinstrumenten und hat manche Schullaufbahn begleitet. Aber wird sie heute noch an den Schulen gelehrt? Die Blockflötenlehrerin Astrid Andersson und die Querflötenlehrerin Stefanie Glaubitz lassen sie in vollem Glanz erstrahlen, durchspielen ihren erquickenden wie auch den erhebenden Charakter auf verschiedenen Instrumenten. Einen Höhepunkt bildet sicherlich Jakob van Eycks „Engels Nachtigaeltje“ – vogelstimmengleich, mit himmlischer Eleganz, so virtuos und natürlich wie eben die Nachtigall entlockt die Flötistin einer Sopranflöte ihren besonderen Klang. Wie ihr Vorbild, die Rosenborg-Blockflöte, ist sie aus Ahorn, zierlich, hell in Farbe und Klang. Die größere Renaissance-Blockflöte klingt irdischer, begleitet von Johannes Fiedler auf seinem selbst gebauten Cembalo, einem warm tönenden Kleinod, folgt eine „Symphonia“ von Nicolaus à Kempis, man genießt die wie tiefe Atemzüge, wie zufriedene Seufzer schwebende Melodie, wobei auch der Flötistin sichtlich recht warm geworden ist.

In der Palette der Holzblasinstrumente nimmt sie eine besondere Stellung ein: die Voice Flute, mit der Andersson eine Sarabande von Johann Sebastian Bach vorträgt, ein genießerischer, höfischer Tanz, sanfter als die unschickliche Wildheit, welche dem Tanz bis zu Bachs Zeiten anhaftete. Das Flötenspiel Anderssons lässt den ersten Teil des Konzerts strahlend und leicht erscheinen, es ist, als verbreiteten sich die Töne auf den Flügeln ihres Atems in den Raum. Theorbe und Blockflöte vereinen sich zu einer vertrauten, eingängigen Melodie, bei „La Follia“ von Arcangelo Corelli atmet man unwillkürlich mit, immer schneller, um dann beim Seufzer am Ende ganz loszulassen.

Zu den Holzblasinstrumenten zählt auch die Querflöte, obwohl sie heute aus Edelmetallen besteht. Jetzt greift Stefanie Glaubitz zur Vorfahrin aus Holz, zu viert werden „Affetuoso“ und „Vivace“ von Johann Joachim Quantz dargeboten. Zeitliche „Luftsprünge“ erlebt man nach der Pause: Aus Renaissance und Barock nun zu Beethoven und schließlich in die Moderne, die Bühne gehört Stefanie Glaubitz, Querflöte, und Johannes Fiedler am Klavier. Die Serenade opus 41 von Ludwig van Beethoven ist so frei und reich wie die Fantasie des Komponisten. Manch sprunghafte Einlassung, wechselnde Temperamente, gelegentlich rasende Tempi vereinen sich zu einem eindrucksvollen Erlebnis.

Francis Poulenc lebte in der Zeit der Impressionisten, neigte aber zu größerer Klarheit und Einfachheit. Und doch: Bei dieser Sonate für Flöte und Klavier empfindet man die Feier der Schönheit der Musik durchaus als ein Fest der Bilder. So hieß es damals nach der Premiere in „Le Figaro“: „Ein großer melodischer Regenbogen auf einem bläulichen Grund aus schönen Harmonien“. Dieser Regenbogen wartet mit mancher Überraschung, manch schrillem Ton, Schrei und ironischer Spitze auf. Eine Überraschung ist „Voice für Flöte“ von Toru Takemitsu: In einer meisterlichen Darbietung von Stefanie Glaubitz wird gesummt, geschrien, gesungen und geknurrt, werden französische Textbrocken eingeworfen, vollführt die Zunge allerlei Klicklaute, schreckhaft darf man hier nicht sein.

Der Tango „Café“ von Astor Piazzolla bildet dagegen einen weichen, wiegenden, warme bis heiße Zonen durchmessenden Abschluss, untermalt von dem mächtigen Puls des Klaviers. Eine imposante Darbietung, ein i-Tüpfelchen auf einem hinreißenden Abend, die Freude daran bricht sich in begeistertem Applaus Bahn. Nur schade: Von Ricarda Hornych mit ihrem ungewöhnlichen, Ende des 16. Jahrhunderts in Italien entstandenem Instrument, hätte man gern mehr gehört.

Gäubote, 29. April 2024
Gabriele Pfaus-Schiller

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