Pressestimmen
Eine Kostprobe ihres Könnens
Gäubote, 29.11.2022
Bereits zum zweiten Mal im Jahr bot die Musikschule Herrenberg mit dem Programm aus „Podium Musikschule“ am vergangenen Donnerstag, im Studio der Bismarckstraße, ein buntes, multiinstrumentelles Repertoire an Tönen und Melodien an. Im epochalen Querschnitt aus Barock, Klassik, Weltmusik und der Moderne, verkörperten musikalisch Heranwachsende ihren Unterrichtsstand und ihre Fähigkeiten am Instrument. Unterschiedlichste Fachbereiche gestalteten Werke variierender Stilrichtungen als öffentliches Vorspiel. Laut Musikschule eine ausgezeichnete Gelegenheit, „um als Schüler geübte Stücke der Öffentlichkeit präsentieren zu dürfen“. Unter ihnen die Lernenden aus der Akkordeonklasse von Waltraud Epple-Holom, und den Geigenklassen Christina Dreier und Hrayr Atshemyan, die Kostproben ihres Könnens darboten. Besonders sei es, dass auch einige Preisträger von „Jugend musiziert“ darstellen konnten.
Zu Beginn leitete das Blockflöten-Duo aus Emilian Rink und Jana Miari Randriamanivo den Abend durch das Stück „Come follow me“ des britischen Folk-Künstlers John Hilton ein, welches im 17. Jahrhundert mit kirchenmusikalischer Prägung entstand. Heiter, schwungvoll folgte die Unterhaltungsmusik „Alleweil ein wenig lustig“ des Benediktinermönchs und Komponisten Valentin Rathgeber, dessen Werke erst mit Beginn der Moderne während des Imperialismus wiederentdeckt wurden. Da der Organist 1733 auf anonymen Wegen sein „Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect“ veröffentlichte, konnten seine Arbeiten lange Zeit dem wahren Künstler nicht zugeordnet werden. Aus dem barocken Vanitas-Motiv der Vergänglichkeit heraus, bearbeitete im neuen Stück, der Franzose Henri Bâton mit seinem Stück „Cortillon“, angelehnt an die Unterröcke der bäuerlichen Tracht in Frankreich, die Weisheit, das Leben in jedem einzelnen Tag wertzuschätzen.
Die ergreifende Melodik symbolisierte den Zeitgeist dieser Epoche voller Kontraste und Widersprüche. Zwischen adligem Lebensgenuss und bitterer Armut, Gewalt und Tod – die zentralen Elemente wurden im Flötenstück zum Ausdruck gebracht. „Ausstrahlung der Freude“ rundeten das Vorspiel der Jüngsten gelungen ab.
Im gemischten Trio als Kammermusik-Ensemble präsentierten Leonie Todaro am Akkordeon, Anita Dreier an der Violine und Ella Endler an der Blockflöte zuerst das Stück „Largo“ von Giuseppe Sammartini, einem italienischen Oboenvirtuosen, der unter Georg Friedrich Händel Mitte des 18. Jahrhunderts sogar im Londoner King’s Theatre auftrat und dadurch an Bekanntheit gewann. Es folgte ein Werk von Angel Villoldo, der sich auch dem lyrischen Teil der Textdichtung verbunden fühlte. Der argentinische Tangokomponist gestaltete mit „El Portenito“ einen typischen südamerikanischen Vertreter im 4/8-Takt.
Mit Ludwig van Beethovens Sonate in G-Dur konnte Luise Fan am Klavier zuerst das Lyrische und Spielerische, die „fast übermütige Demonstration leichthändiger Meisterschaft“ (Joachim Kaiser) des Weltkünstlers umreißen. Die Romanze atmete einen Rokoko-Rest – jugendlich, frisch, geradezu beschwingt vorgetragen. Im rasch, munteren Allegro fuhr die junge Schülerin mit der Sonate in F-Dur fort, die Beethoven autobiografisch der Gräfin Anna Margarete von Browne widmete.
Das Blockflötentrio rund um Ella Endler, Hannah Burose und Vera Josub spielte im Anschluss Johann Matthesons „Sonata II“, gefolgt vom neuzeitlichen „Allegro“ von Josef Friedrich Doppelbauer, einem österreichischen Komponisten, Organisten und Chorleiter. Als rhythmisches Feuerwerk der Instrumentenfamilie endete das Stück mit einem schrillen Ton und kräftigem Applaus. Celina Schiffer stellte sich mit dem Konzertstück „Fantasia: The Boy Paganini“ der anspruchsvolleren Klasse. Unterstützt mit Klavierbegleitung stellte sie gekonnt die magischen Klänge der Violine ins Zentrum ihres Solobeitrags. Sanft und im dynamischen Geigenschwung zugleich, präsentierte sie in dem freien Vorspiel die Zupftechnik sowie das Spiccato, dem scheinhaften Springen des Bogens auf der Saite. Das bekannte Stück für junge Geiger stammt vom in Erfurt geborenen Komponisten Edward Mollenhauer, welcher besonders in den USA als Solist und Pädagoge Ruhm erntete.
Mit dem spanischen Tanz „Andaluza“ von Enrico Granados und „Tarantella“ von Michael Glinka, wurden die Zuhörer ein letztes Mal von Lynn Heitmann, die gefühlsbetont die Tasten bespielte, verzaubert und schließlich in den kalten Novemberabend entlassen. Doch die hellen, wohltuenden Klänge der Musikstunde mochten so manchen Gast auf dem Heimweg zumindest herzergreifend erwärmt haben.
Gäubote, 29.11.2022
Tim Seeger