Pressestimmen

Musik entführt in eine andere Welt

Die Musikschule feiert ihr 50-jähriges Bestehen heute Abend mit einem Festakt in der Stadthalle

Derzeit sind das rund 1 500 Personen so ziemlich aller Altersgruppen: Wolfgang Peter, Fachgruppenleiter Blasinstrumente und mit über 31 Jahren der zweitdienstälteste unter den etwa 40 Lehrern, weiß davon zu berichten, dass die Jüngsten, die ihre ersten Erfahrungen im Singen machen, gerade einmal 18 Monate alt sind - und zumindest sein ältester Saxofon-Schüler 76 Lenze zählt. "Die Entwicklung", sagt der 55-jährige studierte Klarinettist, "geht hin zu einem Zuwachs bei den ganz Kleinen und bei den Älteren." Schwieriger als früher indes sei es, Jugendliche bei der Stange zu halten - vor allem wegen des achtjährigen Gymnasiums und zunehmender Ganztagsbetreuung an Schulen sei für Freizeitaktivitäten weniger Raum als früher.

Ehe 1977 die Bildungseinrichtung in die Bismarckstraße zog, ging der Unterricht in der alten, längst abgerissenen Stadtbibliothek am Bahnhof über die Bühne. Wolfgang Peter weiß von Erzählungen, dass dort der fehlende Schallschutz die Arbeit nicht gerade erleichterte, wenn im Nebenzimmer beispielsweise ein Schlagzeug-Schüler seinem Lehrer zeigte, was er so draufhat. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei: Das aktuelle Gebäude mit seinem Ende 2002 eingeweihten Erweiterungsbau verfügt über Schallschutz, für die Schlagzeuger gibt es sogar lärmdichte Kammern, so dass der Unterricht der anderen ungestört vonstattengehen kann.

Freilich hat sich im Laufe der Zeit noch deutlich mehr verändert gegenüber der Anfangszeit der seit 2010 unter der Leitung von Ulrike Goldau stehenden Musikschule. Früher beispielsweise mussten die Lehrkräfte viele Stücke selbst bearbeiten, um überhaupt geeignetes Notenmaterial für den Unterricht zu haben - sowohl Peter als auch sein Ex-Kollege Werner-Ludwig Merkle, der von 1976 bis zu seinem Ruhestand 2012 Streicher unterrichtete, wissen davon ein Liedchen zu singen. Heute indes gebe es für alle Leistungsstufen und Altersgruppen methodisch-didaktisch geeignete Literatur. Auch wurde früher beinahe ausnahmslos einzeln unterrichtet. "Der Trend geht mittlerweile aber eindeutig zur Gruppe", beobachtet Peter - nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen heraus.

In puncto Aufmerksamkeitsvermögen hat der Pädagoge ebenso Veränderungen registriert: "Sie nimmt ab." Allerdings, fügt Peter hinzu, gebe es in diesem Kontext durchaus positive Erlebnisse: "Wenn wir beispielsweise mit dem Jugendsinfonieorchester auf dem Weg zu einem Probenwochenende sind, schauen viele in ihre Smartphones." Recht schnell allerdings sei zu beobachten, dass die Jugendlichen die Geräte beiseitelegten und sich verstärkt wieder miteinander unterhielten oder auch - analoge - Spiele spielten. "Das ist sehr wichtig und gibt Hoffnung", betont Peter mit einem Augenzwinkern.

Werner-Ludwig Merkle denkt im Rückblick ganz besonders gerne an die Kammermusikarbeit und an die Zeit mit besagtem Jugendsinfonieorchester zurück, mit dem er im Laufe der Jahre zahlreiche Reisen ins Ausland unternahm. Den Klangkörper leitet seit 2006 Wolfgang Peter, dem diese Arbeit ebenfalls viel Freude macht. Und der große Hoffnung hegt, dass durch derartige Orchester und Ensembles der Begeisterung Jugendlicher für Musik und aktives Musizieren neuer Schub verliehen werden kann: "Wir müssen neue Modelle entwickeln", weiß der 55-Jährige. Gute Perspektiven etwa sieht er mit gemischten Ensembles oder Projektarbeit. Die grundlegende Aufgabe einer Musikschule, erläutert er, bestehe nicht darin, möglichst viele Spitzenmusiker hervorzubringen, sondern für eine Bildung in der Breite zu sorgen: "Wir sind eine Bildungsinstitution", betont Peter.

Dennoch plädiert sein ehemaliger Kollege Werner-Ludwig Merkle dafür, die Klassiker der Musikliteratur nicht aus dem Auge zu verlieren: "Die Musik etwa von Beethoven beinhaltet eine unglaubliche Konzentration, die auch noch nach Jahrhunderten die Menschen beeinflusst." Deshalb müssten die Lehrer mit gutem Beispiel vorangehen und sollten sich nicht allzu sehr den Schülern und dem Geschmack der Zeit anbiedern, "ich habe da beste Erfahrungen gemacht".

Warum überhaupt Musik machen? Wolfgang Peter hat eine Antwort parat: "Musik entführt in eine andere Welt. Sie sorgt dafür, den Alltag ausblenden zu können, und hilft, Blockaden zu lösen - das sehe ich immer wieder, wenn in ich einer Grundschule bin. Jeder sollte sie deshalb in irgendeiner Form betreiben." Und von der Mitwirkung in einem Ensemble oder Orchester schwärmt er geradezu - durchaus aus eigener Erfahrung: "Dafür lohnt sich's ohne Zweifel, Zeit und Arbeit zu investieren - allein, wenn man mitbekommt, wie der Körper währenddessen von Glückshormonen durchströmt wird."

Dass die Herrenberger Einrichtung für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet ist, daran hegt der Fachgruppenleiter Blasinstrumente keinen Zweifel: "Wir haben ein gutes Team, das die Musikschule voranbringt. Zudem haben wir eine ausgeglichene Altersstruktur mit 'alten Hasen', Mittelbau und jüngeren Kollegen."

Gäubote, 05.05.2018                 Holger Weyhmüller

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