Pressestimmen

Reichtum an Empfindsamkeit

Der Liederabend mit Cordelia Hanus und Harald Streicher stand unter dem Titel „Passioni violente“. GB-Foto: Vecsey

Ein Liederabend in der Alten Turnhalle mit Cordelia Hanus und Harald Streicher, erfüllt von zarten und starken Gefühlen mit Solisten, die perfekt aufeinander eingehen.

„Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder“ – mit Richard Wagners Oper „Tannhäuser“ taucht ein kleines, erlesenes Publikum in die Welt der Oper ein – nicht am Schauplatz des berühmten Sängerwettstreits, sondern in der Alten Turnhalle Herrenbergs. Cordelia Hanus, seit knapp zehn Jahren Pädagogin an der Musikschule, leitet mit warmem, vollem Sopran den Reigen aus Arien der romantischen Oper ein, begleitet von Harald Streicher am Flügel, der gewohnt einfühlsam und temperamentvoll auf Gefühle und Stimmungen eingeht, ohne sie zu übertönen.

Mit einem recht presto gespielten Spinnliedchen aus dem Zyklus „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy reiht er musikalische Worte in die abwechslungsreiche Folge der gesungenen ein. Dem „Mozart der Romantik“ folgt der echte Mozart, aus „Le nozze di Figaro“ trägt die Sopranistin „Deh vieni, non tardar“ vor, darin klingt, wie mit lächelnder Stimme, fein und leicht, eine scheue Freude an. Ein erster gefühlsintensiver Höhepunkt ist die Arie der Meerjungfrau aus der Märchenoper „Rusalka“ von Antonín Dvorak, erfüllt von Liebe und Sehnsucht wendet sie sich an den „silbernen Mond, du am Himmelszelt“.

Cordelia Hanus verwandelt sich, wird zur Meerjungfrau, bezaubert mit einer Stimme, die auch den Furor verletzter Gefühle kraftvoll anklingen lässt in Wagners Oper. Senta und ihre Freundinnen in der Spinnstube erzählen sich die Geschichte des Fliegenden Holländers: „Johohoe! Traft ihr das Schiff im Meere an“ – sie singt mit kraftvoller Stimme vom Schicksal des Ruhe- und Heimatlosen, singt zart von seiner Erlösung.

Zusammenhänge und andere Beziehungen

Die Arie verklingt, leitet über zu den „Années de Pélerinage“ von Franz Liszt. Harald Streicher, Musikschulpädagoge seit über 30 Jahren, erzählt zuvor von allerlei Zusammenhängen und verwandtschaftlichen Beziehungen – Cosima Wagner war die Tochter von Franz Liszt. Vielleicht wäre es manchmal schöner, man könnte auf Tönen von einem zum nächsten Stück hinübergleiten, andererseits sind solche Erklärungen ja auch bereichernd.

„La Wally“ von Alfredo Catalani beschließt den ersten Teil des Liederabends, in die Pause nimmt man auch das eindrucksvolle Bild der Sängerin in schwarzgoldener Garderobe, ein wenig im Jugendstil, mit.

Große Gefühle durchströmen im zweiten Teil den Raum, zunächst mit einer Arie aus „La Bohème“ von Giacomo Puccini, dem Komponisten meist unerfüllter Leidenschaften. Auch in „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni, dem jüngsten Komponisten des Programms, schwingen starke und zarte Gefühlsnuancen mit. Puccinis „Turandot“ ist eine recht grausame Geschichte: Dem Bewerber um die chinesische Prinzessin, der drei Fragen nicht beantworten kann, droht die Todesstrafe. Turandot opfert sich, bringt sich um, doch zuvor singt Cordelia Hanus von ihrer Liebe, endend mit einem herzzerreißenden Aufschrei. Mit einem weiteren Stück von Liszt wird es ruhiger, wird man davongetragen von der Wanderung auf den Tasten des Flügels. Leonoras „Pace, pace mio Dio“ aus „Die Macht des Schicksals“ von Giuseppe Verdi erklingt, eher wie ein Lied.

Immer wieder einmal sinniert man an diesem wunderbaren Abend über die Begriffe Lied und Arie, es zeigt sich, dass es keine festen Grenzen gibt, nicht in dieser ehemaligen Turnhalle. Sie verleiht ein intimes Empfinden, zumal die Zuhörerschar so klein ist, so könnte man sich eher an den Salon der Romantik als ins große Opernhaus versetzt fühlen.

Dass die Unterschiede fließend sind, erlebt man sehr schön mit der ersten Zugabe: „Zueignung“ von Richard Strauß ist nun tatsächlich ein Lied, jedoch eines von ähnlicher Intensität und Innigkeit wie „Oh! Mio babbino caro“, aus „Gianni Schicci“ von Giacomo Puccini, der Arie der Lauretta. Im Programmablauf und dann noch einmal als letzte Zugabe vorgetragen, bleibt diese beliebte Arie besonders gut im Gedächtnis. „Vielleicht sehen wir uns hier mal wieder“, verabschiedet sich Harald Streicher – dazu trägt das begeistert und stehend applaudierende Publikum seinen Teil bei: Zahlreich strömt es zur Bühne, überreicht Rosen.

So erlebt man die Resonanz einer Darbietung, die nicht nur schön war, sondern auch sehr intim erlebt wurde, so als habe die Sopranistin nur eben für jeden Lauschenden allein gesungen. Die romantische Oper als Bühne für Leidenschaften, Heroismus und menschliche Konflikte – hier ist sie erstrahlt in ihrem Reichtum an Empfindsamkeit.

Gäubote, 20.11.2023
Gabriele Pfaus-Schiller

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