Pressestimmen

Sphärische Klangteppiche im Advent

Gäubote, 05.12.2022

Konzertieren in der Stiftskirche: Die Kinder- und Jugendkantorei unter der Leitung von Christa Feige und das Jugendsinfonieorchester unter der Leitung von Hrayr Atshemyan. GB-Foto: Vecsey

Drei Jahre lang mussten die Herrenberger darauf verzichten. Am Samstagabend war es dann endlich wieder so weit: Die Kinder- und Jugendkantorei, das Jugendsinfonieorchester der Musikschule und das Vokalensemble der Gesangsklasse von Ryoko Yoshihara fluteten die fast voll besetzte Stiftskirche mit adventlichen Klängen. Selbst jene Zuhörer, die nur zufällig hereingeschneit waren, zeigten sich so angetan von den betörenden Tonfolgen, dass sie ihren Stehplatz flugs gegen einen der wenigen freien Stühle eintauschten. Bereits der Auftakt zieht das Publikum in den Bann: Nur schwerlich kann man sich dem tiefen Frieden entziehen, der den ersten Satz von Beethovens 6. Sinfonie durchströmt. Vielleicht hat die das romantische Naturempfinden ansprechende Pastorale angesichts des drohenden Klimakollaps ihre Unschuld verloren, doch Beklemmung macht sich im Publikum keineswegs breit. Die musikalischen Naturgemälde des Jugendsinfonieorchesters verdeutlichen nicht nur, was es zu bewahren gilt, sondern geraten selbst zur Kraftquelle, aus deren fröhlich sprudelnden Klangkaskaden der Zuhörer schöpft. Wie der Nachtwächter die Stunden, so kündigt die Kinderkantorei dann singend den „lieben Advent“ an und folgt mit kristallklaren, hellen Stimmen Maria durch den Dornwald. Diesem klassischen Adventsliedgut nähern sich die Kinder mit einer Zartheit, die zu Herzen geht. Als schließlich das Giulio Caccini zugeschriebene „Ave Maria“ erklingt, wird es mucksmäuschenstill im Kirchenschiff. Wohldosierte Gaben stiller Wärme verbreiten sich im Gotteshaus, ehe die Jugendkantorei in die kälteren skandinavischen Gefilde vordringt: Mit Ola Gjeilos „The Rose“ rollen die jungen Sänger einen dicht gewebten Klangteppich aus, in dessen sphärischen Weiten sich manch ein Zuhörer nur zu gern verloren haben dürfte.

Von meditativem Charakter ist auch Benjamin Brittens „There is no Rose“ aus „A Ceremony of Carols“ – eine kleine Perle, die das Vokalensemble der Gesangsklasse Ryoko Yoshiharas in einen berückenden Schwebezustand versetzt.

Mit „A Vaughan Williams Christmas“ entführt das Jugendsinfonieorchester dann in eine glitzernde Winterzauberwelt. Und auch das Licht darf bei einem Adventskonzert nicht fehlen: Strahlend hell leuchtet John Rutters „Christmas Lullaby“, das Chor und Orchester gemeinsam aufführen. Filmmusik ist am Samstagabend ebenfalls zu hören: das geheimnisvolle „Vois sur ton chemin“ aus „Die Kinder des Monsieur Mathieu“. Großartig, diese vielseitige und doch stringente Literaturauswahl! Selbstverständlich finden sich darunter auch die Klassiker des Advents-Repertoires. A cappella singt die Kinderkantorei „Hört, der Engel helle Lieder“ und auch den „Hellen Stern in der dunklen Nacht“ hat man mit im Gepäck. Hierzulande weniger bekannt, aber auch schon 100 Jahre alt ist das englische Weihnachtslied „Ding Dong, merrily on High“, glockenhell interpretiert vom Vokalensemble. Ehe sich alle zum großen Finale versammeln – „Tochter Zion, freue dich“ in einer Bearbeitung mit aparter Orchester-Einleitung –, wird es auf amerikanische Art weihnachtlich: „Die Leroy Anderson Favorits“ versammeln Klassiker wie den „Sleigh Ride“ und das Jugendsinfonieorchester fängt die erwartungsfrohe Stimmung so gut ein, dass einige Kinder im Publikum sich spontan zu den Melodien bewegen und den Rhythmus mitklopfen. Der Applaus, der am Ende einsetzt, ist kaum mehr zu bändigen. Mit Nachdruck fordert das Publikum eine Zugabe ein und so darf es sich nach einiger Überzeugungsarbeit ein weiteres Mal an den opulenten „Tochter Zion“-Klängen erfreuen.

Chorleiterin Christa Feige – Dirigent des Jugendsinfonieorchesters war Hrayr Atshemyan – blickt freudig auf das Adventskonzert zurück. „Die Faszination im Raum war schön“, rekapituliert die Kirchenmusikerin und erklärt, dass es für sie keine beglückendere Erfahrung gebe als wenn der Funke auf das Publikum überspringt. Dies war den Akteuren am Samstag in der Stiftskirche fürwahr geglückt.

Gäubote, 05.12.2022
Nadine Dürr

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