Pressestimmen
Wenn Orchester aufeinandertreffen
Herrenberg: Die Akkordeonisten aus der Gäu-Stadt und aus Tarare sind seit elf Jahren befreundet und gaben in der Musikschule eine Soiree zum Abschluss ihrer diesjährigen Begegnung.
Ganz zuletzt rockten sie die Städtepartnerschaft: Das Akkordeonorchester Herrenberg und der Accordéon Club Amplepuis-Tarare verbindet eine Freundschaft, nicht weniger eng als die Städte in Baden-Württemberg und Frankreich, in denen sie zu Hause sind. Mit dem gemeinsamen Konzert der Akkordeonisten von hier und dort nähert sich ein Wochenende der Wiederbegegnung und des Austausches fast schon seinem Ende zu. Der gemeinsame Auftritt im Studio der Musikschule ist sehr gut besucht, wird enthusiastisch gefeiert und konsequent zweisprachig in Szene gesetzt.
Die Städtepartnerschaft zwischen Herrenberg und Tarare besteht seit mehr als 60 Jahren – die Akkordeonorchester selbst noch nicht. Sie besuchen sich im Wechsel gegenseitig, feierten im vergangenen Jahr 2023 das zehnjährige Jubiläum ihrer Freundschaft in Tarare. Dort wurde ein Gruppenbild aufgenommen, auf dem alle Spieler zu sehen sind und das nun von Herrenberg an Tarare zum Abschluss des Konzertes als schönes Geschenk übergeben und mit großer Freude entgegengenommen wird. Etienne Chadelt, ein junger französischer Akkordeonist, reiste zum Konzert eigens und kurzfristig aus Irland an. Und Waltraud Epple-Holom, die neben Viktor Oswald und Marie-Thérèse Berraud die Orchester dirigiert und als Lehrerin an der Herrenberger Musikschule zudem das Bindeglied zum Akkordeonorchester darstellt, hat einen neuen Namen, über den die sich sehr freut: Für ihre französischen Freunde heißt sie, sehr elegant, Valerie.
Jochen Haab als eloquenter Spieler im Herrenberger Orchester moderiert die kurze Soiree im Studio; Nico Reith, neuer Oberbürgermeister der Stadt, ist zugegen. Tags zuvor besuchten die Mitglieder beider Vereine gemeinsam das Harmonikamuseum Trossingen. Auf ihr gemeinsames Konzert hatten sie sich getrennt seit Weihnachten schon vorbereitet; zwei Proben fanden in den letzten Tagen noch statt. 19 Spielerinnen und Spieler aus Herrenberg stehen auf der eng besetzten Bühne, 11 aus Frankreich.
Ihr Programm spannt einen weiten Bogen, der in Frankreich beginnt mit einem Medley bekannter Melodien der großen Sängerin Edith Piaf. Célino Bratti arrangierte die Stücke „La Foule“, „Mon manège à moi“, „La goualante du pauvre Jean“ und „No, je ne regrette rien“. Die Akkordeon-Instrumente schwelgen, und wer neben einem Franzosen sitzt, kann hören, wie er leise mitsingt.
Mit der finnischen Band Sunrise Avenue und den Briten von Coldplay begeben sich die Orchester ins Reich der melodienbetonten Hitparadenstücke – „Hollywood Hills“ und „Viva la Vida“ bieten mitreißend euphorischen Rausch, der vom mehrstimmigen Zusammenklang der Instrumente gesteigert wird. Astor Piazzollas „Liber Tango“ schließlich, der vielleicht am meisten gespielte Tango überhaupt, begeistert mit Temperament. Weniger bekannt dürfte Deutschen der Komponist und Akkordeonspieler Claude Thomain sein, der seit 1976 das Akkordeonorchester Paris leitete und 2023 verstarb. „Du Vent dans les Soufflets“ heißt sein jazzig inspiriertes Stück, zu Deutsch: „Vom Wind im Balg“. Noch ein Hit, die Orchester wünschen sich klatschende Begleitung: „Danza Kuduo“ stammt im Original von Don Omar und Lucenzo, lief im Abspann des Filmes „The Fast and the Furios Five“, 2011.
Und dann Queen, die fünf Minuten, in die Freddy Mercurys Band vor 49 Jahren ein halbes Dutzend Musikstile packten, große Rockoper im Kleinformat und ein Fest für die Akkordeonisten und ihr Publikum.
Zum Abschied des Konzerts erklang das italienische Liebes- und Kampflied „Bella Ciao“, ein Ohrwurm – und als Zugabe noch einmal Queen: Bei „We will rock you“ donnern die Tasten, stampfen die Füße. Und zuletzt liegen sich alle noch einmal in den Armen.
Gäubote, 14.05.2024
Thomas Morawitzky